Offener Brief an die Politiker*innen von Charlottenburg-Wilmersdorf
Retten Sie den Block 1 der Kleingartenkolonie Am Stadtpark I in Berlin-Wilmersdorf
Berlin, den 27.4.2020
Sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister Naumann, sehr geehrter Herr Stellvertretender Bezirksbürgermeister Herz, sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Schruoffeneger, sehr geehrte Fraktionsmitglieder der BVV-Charlottenburg-Wilmersdorf, sehr geehrte Mitglieder des Kleingartenbeirats, des Denkmalbeirats und der Seniorenvertretung,
letzten Dienstag hat der Senat einen neuen Entwurf des Kleingartenentwicklungsplans verabschiedet. Darin ist eine nicht unerhebliche Teilfläche unserer Kolonie urplötzlich entgegen dem 1. Entwurf des KEP als Baufläche für eine Schule ausgewiesen und zwar als einzige Kolonie im Bezirk:
Tabelle 16: Kleingartenanlagen, deren Verlust mittelfristig wegen Nutzungsänderungen zu erwarten ist* Teilfläche einer Kleingartenanlage:
„Bezirk KGA-Nr. KGA- in Charlottenburg-Wilmersdorf: 04083c Am Stadtpark I* 4.255 19 Schule“
https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/kleingaerten/de/kleingartenentwicklungsplan/
Es handelt sich um den Block 1 unserer Kolonie an der Babelsberger Str. mit 19 Parzellen auf 4255m2, das sind 15,7 % der Gesamtfläche der Kolonie und 16 % unserer Gärten.
Dem zugrunde liegen Schulbaupläne zur Erweiterung der seit 2017 bestehenden Wangari-Maathai-Internationalen Schule, deren jetziges Gebäude neben der beanspruchten Fläche liegt. Der neuen Webseite der Wangari-Maathai-Schule ist zu entnehmen:
„Die WMIS ist zurzeit eine Grundschule, die mittelfristig die Jahrgangsstufen 1 bis 6 umfassen wird. Langfristig ist vorgesehen, dass auch eine Sekundarstufe I mit den Jahrgangsstufen 7 bis 10 sowie eine Sekundarstufe II mit der Möglichkeit des Erwerbs einer Hochschulzugangsberechtigung in Form einer Integrierten Sekundarschule oder Kooperation mit einer anderen internationalen Schule angeboten wird.
Das Schulgebäude in der Babelsberger Straße 24 wird für die nächsten Jahre unser Standort bleiben, mit dem Größerwerden unserer Schule wird das Gebäude aber zu klein und wir werden an diesem Standort expandieren“. https://wangari-maathai-schule.jimdofree.com/unsere-schule/%C3%BCber-uns/
Die Kolonie Am Stadtpark I ist mit 119 Parzellen auf 2,7 ha eine kleinere Kolonie. Ein Verlust von 19 Gärten wäre sehr schmerzhaft und würde die Handlungsfähigkeit der Kolonie einschränken, zumal auch der in Privatbesitz befindliche Block 4 mit 13 Parzellen auf ca. 2700 m2 perspektivisch gefährdet ist. Für die übrigen Kolonieflächen wird eine Nutzungsperspektive 2030 in Aussicht gestellt. Unsere sehr schöne innerstädtische Kolonie mit ihren zahlreichen Aktivitäten auch für die Allgemeinheit, mit ihrem offenen Vereins- und Lesegarten, ihrem Mitmachgarten und dem Schul- und Kitagarten ist äußerst beliebt, uns liegen derzeit 151 Bewerbungen für einen Garten vor. Die Kolonie ist wichtig für Leben, Erholung und Zusammenhalt im Kiez von Jung und Alt, für Umweltbildung, Klima- und Artenschutz – gerade auch in Krisenzeiten. Sie wurde 1919 gegründet und ist historisch bedeutsam als größte verbliebene Kolonie des einstigen Kleingartengürtels rund um den Volkspark Wilmersdorf. Sie weist zum Teil noch alte und sehr alte Lauben und einen alten, wertvollen Obstbaumbestand auf[1].
Die Kolonie Am Stadtpark I ist seit vielen Jahren eine konstruktive Dialogpartnerin für Politik und Verwaltung auf Bezirks- und Landesebene. Wir haben uns bei zahlreichen Fachgesprächen, Konferenzen, Gesprächsrunden zur Zukunft der Kleingärten und zum Kleingartenentwicklungsplan eingebracht, auch mit Stellungnahmen. Die Kolonie hat große Anstrengungen unternommen, sich mit ihren vielen Angeboten und Aktivitäten für die Bevölkerung zu öffnen. Der Bezirk hat uns dafür 2016 den Erwin-Barth-Preis „insbesondere für die Nachbarschaftspflege“ verliehen. Stadtrat Oliver Schruoffeneger würdigte uns in seinem Grußwort für unsere Festschrift zum 100. Jubiläum 2019 als „Trendsetter“[2].
Sie können sich vielleicht vorstellen, wie groß unser Entsetzen war, als wir diese neue Version des KEP letzten Mittwoch der Presse entnehmen mussten. Besonders erbittert uns, dass niemand vorher mit uns als Betroffenen das Gespräch gesucht hat. Noch im Herbst letzten Jahres hieß es, die Schule würde in die Levetzowstr. 3-5 umziehen. Dies ist eine obrigkeitsstaatliche Planungspraxis, die einer Demokratie nicht würdig ist und die alle Demokratinnen und Demokraten vor den Kopf stößt. Sie geschah auf Initiative der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zusammen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und wurde in der letzten verwaltungsinternen KEP-Runde von der federführenden Senatsverwaltung UVK nicht abgewendet.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Sie herzlich bitten, tätig zu werden, um den dauerhaften Erhalt unserer gesamten, für den Bezirk so wertvollen Kolonieflächen zu erreichen. Es gibt viele mögliche Standorte gerade auch einer neuen internationalen Schule für hochmobile Familien, es gibt aber nur einen Standort für unsere in 100 Jahren gewachsene Kolonie. Eine Vernichtung von Gärten mit wertvollem Obstbaumbestand wäre ein Verrat an allem, wofür die Namensgeberin der Schule sich eingesetzt hat, die für ihr Umweltengagement und ihre Baumpflanzaktionen in Kenia den Friedensnobelpreis erhielt. Sie widerspräche auch dem BVV-Beschluss zur Übernahme des Bürgerbegehrens, das den Erhalt der bezirklichen Grünflächen, einschließlich der Kleingärten beinhaltet.
Der KEP-Entwurf wurde letzten Donnerstag vom Rat der Bürgermeister in den RdB-Fachausschuss für Stadtentwicklung, Wohnung, Umweltschutz, Verkehr, Energie und Betriebe überwiesen. Sehr geehrter Herr Herz, hier sind Sie Mitglied. Wir möchten Sie bitten, sich dort für eine Planänderung zugunsten unserer Kolonie einzusetzen. Dann geht der KEP nach der Stellungnahme des Rats der Bürgermeister ins Abgeordnetenhaus. Es wäre gut und demokratisch, wenn er dort nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern noch diskutiert würde.
Die Frage ist auch, lässt sich auf die Planung für die Wangari-Maathai-Schule Einfluss nehmen? Diese ist bisher extrem intransparent. Warum wurde die Umzugsplanung für die Levetzowstr. 3-5 aufgeben? Wurden alternative Standorte oder auch Alternativen vor Ort erwogen? Eine Option wäre möglicherweise eine Mitnutzung von Räumen des OSZ Leopold-Ullstein. Es kann doch nicht sein, dass nur der Wunsch aus der Elternschaft der Schule zum Tragen kommt, am gegenwärtigen Standort festzuhalten und zulasten unserer Gärten zu expandieren. Es ist nicht bekannt, wieweit die Schulplanung bereits gediehen ist.
Schon einmal, in den 80er Jahren, gab es den Versuch, den Block 1 für Schulzwecke umzunutzen. Dieser Versuch endete unter Mitwirkung der Nachbarschaft vor Gericht mit dem Ergebnis, dass nur ein kleiner Teil der Fläche für einen Sportplatz, der ausschließlich von der Schule genutzt werden darf, abgetreten werden musste. Dieser Sportplatz wird im Übrigen kaum bespielt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Sie sehr herzlich bitten, mit allen Ihren Einflussmöglichkeiten in Bezirk und Parteien die Realisierung einer Schulplanung und einer Kleingartenentwicklungsplanung zulasten der Kolonie Am Stadtpark I zu verhindern und keine Kündigung dieser Flächen zuzulassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gabriele Gutzmann, 1. Vorsitzende
Anlage: Stellungnahme der Kleingartenkolonie Am Stadtpark I zum Entwurf des Kleingartenentwicklungsplans 2030 vom 12.4.2019
[1] Dr. Gabriele Gutzmann: Zur Geschichte der Kleingartenkolonie Am Stadtpark I. Bachelorarbeit im Studiengang Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur der TU Berlin. 2019
[2] Lauben. Zum hundertsten Jubiläum der Kleingartenkolonie Am Stadtpark I in Berlin-Wilmersdorf. 2019